Worum geht es und wie kam es dazu?
Da ich ein ziemlicher “Obstwurm” bin gibt es seit Mitte April 2016 hier auf Lindhagen ein großes Projekt “Obstbaumveredelung”. Es geht dabei einerseits darum die alten Obstsorten die es hier auf dem Hof gibt zu retten und andererseits darum mehr Obst anzubauen. Teilweise haben wir auch neue Obstarten und Sorten gepflanzt, z. B. Mirabellen und Schattenmorellen. Außerdem ist für die Zukunft geplant auch andere alte Sorten zu sammeln und hier zu bewahren und anzubauen. Hier in diesem Beitrag werde ich beschreiben wie wir bei der Veredelung vorgegangen sind.
Vorbereitung
Material beschaffen
Zunächst habe ich Ende Januar/Anfang Februar von den Bäumen die ich vermehren will Reiser geschnitten. Mein Vater hat in Deutschland das Gleiche getan bei 3 Apfelbäumen die er im Herbst zuvor als interessant identifiziert hat. Bei der Behandlung der Reiser sind wir etwas unterschiedlich vorgegangen: Er hat sie in nassem Zeitungspapier in Folie verpackt und in den Kühlschrank gelegt während ich die Folie weggelassen habe weil ich Angst hatte sie könnten schimmeln. Beide Methoden haben sich als nicht tauglich herausgestellt. Seine waren zum Teil verschimmelt und meine vertrocknet. Da dürfen wir nächstes Jahr also methodisch noch nachbessern. Auch bzgl. der Auswahl der Reiser müssen wir noch nachbessern und darauf achten wirklich nur einjährige Triebe zu verwenden.
Danach haben wir bei einem Unterlagenvermehrer Obstunterlagen bestellt. Jeweils 25 Stk.
Äpfel:
- A2
- M7
- M26
- MM106
Pflaumen:
- Brompton
- Pixi
Kirschen:
- Gisela5
Insgesamt also 175 Unterlagen. Desweiteren brauchten wir
- ein Okuliermesser
*,
- eine Veredelungsschere*
, (ich verwende hier diese*
)
- eine Rosenschere
*,
- Fleico-Bänder
* (Gummis zum Verbinden der Veredelungsstelle)*,
- Wundverschlußmittel für Bäume
*,
- Gießkanne
*,
- einen Spaten
*,
- (sowie Etiketten zur Beschriftung der fertigen Bäume).
Los geht’s: Die Obstbaumveredelung
Als mein Vater hier ankam haben wir die Unterlagen erst einmal eingeschlagen und seeeeehr gut gewässert. Das sah dann etwa so aus:
Auf dem Bild oben sind auf der rechten Seite im Bild einige Heuballen zu erkennen. Darauf errichteten wir uns einen Arbeitstisch:
Nach dem Auspacken der Reiser werden diese erst einmal begutachtet. Verschimmelte und vertrocknete oder sonst wie untaugliche, z.B auch zu dicke oder zu dünne, müssen aussortiert werden:
Habe ich ein Reis gefunden lege ich fest auf welche Unterlage ich es veredeln möchte und suche mir eine aus die möglichst genau so dick ist wie mein Edelreis:
Die gleiche Dicke von Edelreis und Unterlage ist wichtig damit nachher möglichst viel Kontaktfläche vom Unterlagen-Kambium und Edelreis-Kambium entsteht.
Habe ich eine passende Unterlage gefunden grabe ich sie aus und nehme sie mit an meinem Arbeitstisch. Dort erfolgt dann der Veredelungsschnitt am Reis wie in der folgenden Bilderserie zu erkennen unmittelbar unter einem Auge (das “Zugauge”) über dem sich noch etwa 1 bis 2 weitere gesunde Augen befinden sollen:

Hat man die Schere sauber angesetzt erhält man so einen, in diesem Fall, U-Profilschnitt am unteren Ende des Reises.
Die Schnittfläche am Edelreis darf man nicht anfassen. Durch Dickenvergleich suche ich mir dann die exakte Stelle an der Unterlage:
Dann lege ich das Reis vorsichtig zur Seite und führe an der Unterlage den Veredelungsschnitt durch. Dabei muß ich logischerweise die Unterlage von der anderen Seite in die Schere legen:
Habe ich alles gut hinbekommen passen die beiden Teile zusammen wie Schlüssel und Schloß:
Verbinden mit Fleicobändern:
Danach geht es an das Verbinden mit den Fleico-Gummis. Da dies am Anfang etwas knifflig ist zeige ich hier Schritt für Schritt in Bildern welche Technik sich für mich am Besten bewährt hat. Los geht’s:

Ich lege das Gummi so wie hier gezeigt an, halte es sehr gut fest mit meinem linken Zeigefinger und spanne das Gummi.

Ist das Gummi gut gespannt wickel ich einmal herum und zwar überkreuz wie hier zu sehen. Weiterhin Gummi mit dem Zeigefinger gut festhalten!

Dann wickel ich zwei bis dreimal rum bis unter die Unterkante der Veredelungsstelle. Während ich das Reis einsetze fixiere ich das gespannte Gummi mit dem Daumen.

Dann kommt ein Schritt von dem ich leider kein schärferes Bild habe: Ich halte den linken Zeigefinger mit etwas Abstand parallel zum Reis und wickel das Gummi einmal um Finger und Reis.

Anschließend kann ich das Ende von unten zwischen Zeigefinger und Edelreis durchstecken zu einem halben Schlag.
Danach ist das Gummi fixiert und das Ergebnis sollte so aussehen:
Ablängen, Wundverschluß und pflanzen
Ist das Werk bis hier her geschafft zählt man einschl. Zugauge 2 bis 3 Augen ab und kürzt das Edelreis dort ein, sofern das nicht schon vor dem Verbinden geschehen ist, was sich empfiehlt zu tun, da das Reis dann nicht so schnell das Übergewicht kriegt und besser in der Veredelungsstelle zu fixieren ist. Danach werden alle Wundstellen gründlich mit einem Wundverschluß eingestrichen der für Veredelungen tauglich ist (steht auf der Verpackung).
Danach geht’s erst zum “Friseur” (die Pflanzen bekommen die Wurzeln etwas eingekürzt) und danach ins “Fußbad” mit einfachem Wasser.
…und dann wird gepflanzt. Da ich hier grundsätzlich so ziemlich alles auf Dämmen kultiviere (dazu an anderer Stelle mehr) werden auch diese Obstbäume auf einen Damm gepflanzt der anschließend ein Mulchvlies bekommt und obendrauf eine tüchtige Portion altes Heu als Mulch:

Nachdem die Reihe voll war haben wir das Vlies ausgebracht. Hier sieht man mich beim Feststecken des Vlieses.
Da wir hier große Probleme mit Wild haben mußten wir uns etwas einfallen lassen. Und uns ist etwas eingefallen: Eine Wildscheuche…. seht hier wie wir sie gebaut haben. Das Vlies hat sich inzwischen als nicht stabil genug erwiesen, aber das Prinzip funktioniert ganz gut:
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